Legitimationsstrategien und Legitimationsmuster von Gewalt

Titel:
Legitimationen von Gewalt


Kurzbeschreibung:
Die Frage nach der Legitimität von Gewalt zu stellen, mag etwas Verstörendes haben. Denn die gängigen und dominanten Selbstbeschreibungen der Moderne weisen allesamt darauf hin, dass moderne Gesellschaften aufgrund ihres langandauernden Zivilisierungs- und Modernisierungsprozesses vergleichsweise gewaltfreie – zumindest gewaltarme – Gesellschaften sind und Gewalt als Handlungsmodus selbst die Ausnahme sein soll. Bei genauerer Betrachtung zählt diese Vorstellung jedoch zu den „großen Erzählungen“ der Moderne und kann als eine Art Sozialmythos betrachtet werden. In einer solchen Perspektive wäre die Frage nicht nur schnell beantwortet, sie wäre zudem auch noch falsch gestellt: Gewalt kann gar nicht legitim sein, seit der moderne Staat das Gewaltmonopol für sich beansprucht; er sorgt schließlich für Ordnung und sanktioniert entsprechende Verstöße dagegen. Das normative Gewaltverbot in modernen Gesellschaften führt nun jedoch nicht dazu, dass es auch realiter keine Gewalt mehr gibt. Deshalb kann vielleicht der eigentliche Ertrag des Zivilisationsprozesses darin gesehen werden, dass Gewalt grundsätzlich legitimationsbedürftig geworden ist. So wie die Herrschaft im Zuge der Entwicklung der modernen Gesellschaft nicht mehr als natürlich oder gottgegeben angesehen werden kann, sondern der vorgängigen Legitimation bedarf, so ließe sich auch argumentieren, dass Gewalt in der Moderne immer einer Form der Legitimierung bedarf, sie nicht mehr ohne Rechtfertigung auskommt. Dies gilt für Formen individueller Gewalt genauso wie für Formen politischer Gewalt. Auch die Einschätzung und Bewertung von Gewalt kann sich bekanntlich im Zeitverlauf verändern. Das Forschungsprojekt möchte den Legitimationsstrategien und Legitimationsmustern auf drei Ebenen nachspüren: a) auf der Mikro-Ebene des Individuums, b) auf der Meso-Ebene gesellschaftlicher Gruppen, und c) auf der Makro-Ebene des Staates. Auf jeder dieser Ebenen soll an unterschiedlichen Beispielen und in komparativer Perspektive nach verschiedenen Begründungsmustern und möglichen Legitimationen gefragt werden. Die ausgewählten Beispiele liegen allesamt in der interessanten Grauzone zwischen der legalistischen Verneinung jeglicher Legitimität von Gewalt und der etwas naiven generellen Bejahung einer solchen Legitimität, so dass an ihnen die Legitimitätsproblematik von Gewalt besonders eindrücklich aufgezeigt werden kann.


Laufzeit:
Im Prozess der Antragstellung


Art des Projekts / Förderung:
Drittmittelprojekt


Projektbezogene Publikationen:

Jens Hiller: Das Leben der Anderen oder die Legitimation ziviler Opfer. Eine Analyse des Kriegsdiskurses in den USA von 2003 bis 2011, Wiesbaden 2017 (zugleich Dissertation BUW 2016).

Josua Schneider: Frieden ist schwieriger als Krieg. Die Bedeutung von narrativen (De-)Legitimationsstrategien in vertrackten bewaffneten Konflikten und deren Bearbeitung am Beispiel des kolumbianischen Bürgerkriegs, (Dissertationsschrift BUW 2021).